Gedenken an die Reichspogromnacht 2020

Auch wenn wir dieses Jahr aufgrund der Corona-Pandemie auf ein öffentliches Gedenken verzichten, ist es uns ein tiefes Anliegen auch in diesem Jahr an die Pogrome am 9. November 1938 hier in Fürth zu erinnern. Wir halten es für ein wichtiges Zeichen, dass der Rabbiner Jochanan Guggenheim, der Oberbürgermeister Thomas Jung und das Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus trotz Corona gemeinsam einen Kranz am Mahnmal in der Geleitsgasse niederlegen. Gleichzeitig danken wir unseren langjährigen Kooperationspartnern und RederInnen der jährlichen Gedenkveranstaltung, der Antifaschistischen Linken Fürth und den Kirchen, dass sie Verständnis dafür haben, dieses Jahr nicht an der Kranzniederlegung teilnehmen zu können. Am 9. November fordern wir die Fürther Bevölkerung auf, die Initiative der Antifaschistischen Linken Fürth zu unterstützen und am Denkmal einzeln(bemalte) Steine der Erinnerung oder Blumen zu hinterlegen.

Wir vergessen nicht, denn die Pogrome scheinen nur in der Vergangenheit zu liegen, sie sind verbunden mit der grausamsten Erinnerung und der schwersten Warnung, welch unmenschliche Schrecken möglich sind. Darum ist es für uns die wichtigste Aufgabe, dieses Wissen um die Schrecken des Nationalsozialismus weiterzugebenund die Wachsamkeit gegen Rassismus und Rechtspopulismus niemals zuverlieren.
In der Stadtchronik von Fürth für den 10. November 1938 zu lesen: „Vergangene Nacht sind fast sämtliche hiesige Juden durch SA -Leute aus ihren Betten geholt und am Schlageterplatz aufgestellt worden. Um halb 2 auch die 42 jüdischen Kinder vom jüdischen Waisenhaus in der Julienstraße. Gegen 6 Uhr früh kamen sie in den Saal des Volksbildungheimes. Um 9 Uhr früh dürfen die Frauen, Mädchen und Kinder nach Hause gehen. Etwa 132 Männer wurden dann abends in den Autobussen fortgeschafft.“ Eine Nacht des Schreckens, der Angst, beißender Kälte, Schlaflosigkeit lag hinter diesen Menschen und doch war dies nur der füralle sichtbare Auftakt zu einer Verfolgung und Ermordung aus rassischen, politischen, religiösen, sozialen, biologischen und ökonomischen Gründen und bald wurde dann durch einen verbrecherischen Krieg die Welt an den Rand des Abgrundes geführt. Bereits am 1. Dezember 1938 heißt es dann in der FürtherStadtchronik: „Viele, fast alle Judenhäuser gehen in christlichen Besitz über…“ Zu den besonderen Nutznießern zählte unter anderem der Quelle Versandhausbesitzer Gustav Schickedanz: 75 % seines Gesamtbesitzes stammte einer Klageschrift von 1949 zufolge aus ursprünglich jüdischen Besitz.

In der Büchner Preisrede von Lukas Bärfuss 2019 heißt es: Falls man den Menschen die Möglichkeit geben will, aus der Geschichte zu lernen, wäre die erste Voraussetzung, dass es sich dieser Geschichte erinnert. Aber leider vergisst er so leicht, und oft vergisst er gerade die entscheidenden Lektionen.

Wie sonst könnte sonst mit der AfD eine Partei in den Parlamenten und auch hier in Fürth im Stadtrat sitzen, die Menschen verachtet, die Ängste schürt und die Demokratie mit Füßen tritt?  Auch bei den sogenannten „Querdenkern“ die die Corona Pandemie leugnen und als Mittel für antisemitische Narrative von einer Weltverschwörung nutzen wurde aus der Geschichte offensichtlich nicht gelernt. Wir werden angesichts dessen, jedochnie aufhören für Offenheit und Toleranz einzutreten. Das Fürther Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus wird es sich weiterhin zur Aufgabe machen jeglichen Rassismus, Rechtspopulismus und Antisemitismus zu bekämpfen.

Statt die Gesellschaft zu spalten, werden wir uns auch weiterhin für die Schwächsten der Gesellschaft einsetzten, die gerade bei der derzeitigen Pandemie scheinbar in Vergessenheit geraten und unter ihr am meisten leiden. Zusammen mit weiteren Organisationen haben wir zu Beginn der Pandemie eine alternative Tafel initiiert, um diese in dieser schweren Zeit nicht alleine zu lassen. Wir werden auch weiterhin dafür sorgen, dass die humanitäre Katastrophe an den europäischen Außengrenzen im Blickpunkt der Öffentlichkeit bleibt. Wir haben genug Platz, um diese unhaltbaren Zustände endlich zu beenden.  

Wie Esther Bejerano, die große antifaschistische Kämpferin, Überlebende von Auschwitz sagt: Sonntagsreden, die Betroffenheit zeigen, reichen nicht. Diese Betroffenheit muss zum Handeln führen, es muss gefragt werden, wie es soweit hat kommen können. Es muss gestritten werden für eine andere, bessere Gesellschaft ohne Diskriminierung, Verfolgung, Antisemitismus, Antiziganismus, ohne Fremdenhass! Nicht nur an Gedenktagen! Dieser klare Auftrag ist unsere Verpflichtung. Daran wollen und müssen wir uns messen lassen.

Wir vergessen nicht und wir erinnern uns auch an diesem 9. November an die Verbrechen des Faschismus, als Auftrag für die Zukunft.