Rede vom Fürther Bündnis gegen Rechts zum Gedenken an Rudolf Benario und Ernst Goldmann

Liebe Antifaschistinnen, liebe Antifaschisten,
ich begrüße Sie/euch ganz herzlich im Namen des Fürther Bündnis
gegen rechts, für das ich heute spreche.
Es ist eine große Ehre, dass Sie Herr Leon Nahon und Ihre Schwester
Miriam Lewis heute bei uns sind. Wir sind ja schon länger im Kontakt
und dass es heute endlich geklappt hat, dass Sie zu uns kommen, ist
eine große Freude. Leon wird auch zu uns sprechen. Er ist der Neffe und
Miriam die Nichte von Rudolf Benario. Ihr erinnert euch sicher noch an
letztes Jahr, als Shmuel Hirschmann zusammen mit seiner Frau am
Gedenken teilnahm und beeindruckende Worte über Frieden und
Humanität fand. Nur ein Jahr ist vergangen und die Welt hat sich noch
ein Stück mehr vom Frieden entfernt, von Humanität ganz zu schweigen.
Frieden, das ist das Stichwort, dass uns alle bewegt.
Frieden und Gerechtigkeit, Kampf gegen Ausbeutung und Krieg, das
waren Inhalte, denen sich Benario und Goldmann nicht nur in Worten,
sondern auch in der Tat verschrieben hatten.
Sie setzten sich schon früh, in ihrer Jugendzeit, gegen Aufrüstung und
Militarisierung der Gesellschaft ein. Sie wiesen auf den Zusammenhang
von Rüstung und Verarmung der Gesellschaft hin. Und sie wussten, wer
am Ende die Zeche zahlt.
Mit der Losung „Kinderspeisung statt Panzerkreuzer“ kritisierte die SPD
noch im Wahlkampf 1928 die Entscheidung der bürgerlichen
Reichstagsmehrheit Zuschüsse zu Schulkinderspeisungen zu streichen
und dem Bau des kostspieligen Panzerkreuzers A zuzustimmen. Als die
SPD dann nach der Wahl in das neu gebildete Koalitionskabinett eintrat
und in der Regierung den Reichskanzler stellte (Müller), segneten die
SPD-Minister den Panzerkreuzerbau dann doch ab. Dies führte
innerhalb der SPD, vor allem auch bei den jungen Mitgliedern zu großen
Auseinandersetzungen. Auch bei Benario und Goldmann.
Das war wohl auch ausschlaggebend, dass sie 1931 aus den
Jungsozialisten austraten und sich bei der KPD organisierten. Kurz
darauf löste die SPD-Führung die Jungsozialisten gänzlich auf.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, angesichts der heutigen Situation!
Ähnlichkeiten mit heute rein zufällig?
Wollen wir doch aus der Geschichte lernen, so kommen wir nicht drum
herum, gerade an so einem Tag wie heute, uns dazu Gedanken zu
machen. Denn nur wenn wir aus der Vergangenheit lernen, können wir
eine humane, friedliche Zukunft gestalten:
Erneut stehen Aufrüstung und Militarisierung auf der Tagesordnung. Nur
ein Beispiel:
Nehmen wir den berühmten Taurus-Marschflugkörper, nach dem – ich
sage bewusst – Kriegstreiber rufen. Er kostet pro Stück eine Million Euro.
Eine Explosion davon und 1000 Monatsmieten (für die Wohnung einer
vierköpfigen Familie) sind in Schall und Rauch aufgegangen! Oder das
Bafög für 1000 Studenten wäre damit bezahlt oder man könnte 8000
Notebooks für die Schulen anschaffen.
Und es geht ja weiter: Die neuesten kolportierten Zahlen sind: 2
Fregatten für 3 Milliarden Euro. 900 gepanzerte Transportpanzer Fuchs
für 4 Milliarden und, und…
Gnade dem, der es wagt auf sowas hinzuweisen, wer es wagt mehr
Anstrengungen für Frieden zu fordern, statt für Waffen. Der wird als naiv,
als realitätsfremd oder sonst was beschimpft, nicht nur von
Waffenlobbyisten wie z.B. FDP-Frau Strack-Zimmermann. Auch der
Papst ist nach seiner Osterbotschaft solchen Beschimpfungen
ausgesetzt! Dabei schreit die Welt an allen Ecken und Enden geradezu
nach Frieden, angesichts der Kriege und Konflikte, des Hungers und der
Not. Und was machen viele unserer politisch Verantwortlichen? Sie
fordern noch mehr Waffen und Kriegsfähigkeit. Sie fordern Militär an die
Schulen und Militär an die Universitäten! Der Gesetzentwurf der
bayrischen Staatsregierung zur Förderung der Bundeswehr in Bayern tut
genau das.
Wer so handelt und gleichzeitig mit den Friedenskräften gegen die AfD
auf die Straße geht, macht sich spätestens dann unglaubwürdig, wenn
im gleichen Atemzug das Asylrecht faktisch abgeschafft wird. Was für
eine Heuchelei, von einer Flüchtlingskatastrophe zu reden, die Ängste in
der Bevölkerung zu schüren und sich gleichzeitig über die AfD empören.
Das passt doch hinten und vorne nicht zusammen?!
Nicht die Flüchtlinge sind eine Katastrophe – katastrophal ist die
Flüchtlingspolitik! Katastrophal ist eine Politik der weltweiten Ausbeutung
von Ländern und Menschen des Südens und der Zerstörung ihrer
natürlichen Lebensgrundlagen. So werden diese Menschen gezwungen,
ihre Heimat und ihre Familien zu verlassen. Diese Politik muss sich
ändern!
Liebe Antifaschistinnen, liebe Antifaschisten!
Erneut wird wieder offen von Kanonen und Butter geredet, so wie
kürzlich der Leiter des arbeitgeberfreundlichen ifo Instituts München,
Clemens Fuest.
Es läuft einem kalt den Rücken hinunter, wenn man weiß, woher diese
Parole kommt und wer sie geprägt hat.
Die Losung „Kanonen statt Butter!“ geht zurück auf Göring.
Im Dezember 1935 besuchte er die Werft Blohm und Voss in Hamburg
und rief – seinen fetten Leib in die weiße Uniform eines
Luftwaffengenerals gestopft – den Werftarbeitern zu: „Erz hat stets ein
Reich stark gemacht, Butter und Schmalz haben höchstens ein Volk fett
gemacht.!“
Im Januar 1936 legt Goebbels nach: „Wir werden zur Not auch einmal
ohne Butter fertig werden, niemals aber ohne Kanonen!“
Soweit sind wir heutzutage gottseidank nicht, aber ist es nicht eine
Schande, dass solche Sprüche vollkommen unreflektiert ins politische
Geschehen eingehen?
Wie geschichtsvergessen muss man sein, dass heute unwidersprochen
ungeniert in Talkshows, in der Politik darüber schwadroniert wird, dass
beides wohl nicht ginge und nunmehr den Kanonen mehr, wenn nicht gar
erste Priorität eingeräumt werden muss.
Apropos Geschichtsvergessenheit!
Ende März fand im Stadtmuseum Fürth eine Fachkonferenz zum Thema
„Fürth und der Nationalsozialismus – Bestandsaufnahme und
Forschungsperspektiven“ statt. Eine gute Veranstaltung mit sehr guten
Vorträgen, die die Nazi Zeit in Fürth beleuchtete.
Die Konferenz hat deutlich gemacht: Fürth war keine Ausnahme im
dritten Reich. Auch hier haben die Faschisten gewütet, erpresst und
gemordet, unterstützt oder zumindest wohlwollend begleitet durch
Behörden, wie Justiz und Polizei. Auch die Kirche stand nicht abseits.
Vielleicht sogar noch mehr als anderswo, wütete hier und in Nürnberg
der berüchtigte Gauleiter Julius Streicher, einer der größten Judenhasser
im Reich, der mit dem Hetzblatt „Der Stürmer“ nicht nur die jüdischen
Mitbürger ins Visier nahm. Mit ihm personell eng verflochten war die
Fürther Naziclique um den NS- Oberbürgermeister Jacob. Die jüdischen
Menschen wurden schon früh verfolgt und durch Arisierungen sollte
schon zeitig der „Finanztot“ der jüdischen Geschäfts- und
Unternehmensinhaber, herbeigeführt werden.
Natürlich gab es bei diesen verbrecherischen Raubzügen, Gewinner.
Das machte die Konferenz sehr deutlich. Profiteure, die bis heute in
Fürth geehrt werden. Stellvertretend sei hier der größte
Arisierungsgewinner, das NSDAP Mitglied Gustav Schickedanz,
genannt.
Dieser Fachkonferenz machte sehr deutlich, dass die Stadt Fürth einen
enormen Nachholbedarf im Umgang nicht nur mit einer solchen dem
legalisierten Raub schuldig gewordenen Personalie hat.
Aber nicht nur auf die jüdischen Menschen hatten es die Faschisten
abgesehen. Alle, die sie als Gegner ihrer Ideologie ausmachten, sollten
so schnell wie möglich ausgeschaltet werden.
Sofort, nämlich schon kurz nach der Machtübergabe an Hitler, Ende
Januar 1933 holten die Nazis zu einem ersten Schlag aus, um ihrer
Gegner habhaft zu werden. Es traf zuerst die Kommunisten,
Sozialdemokraten und Gewerkschafter, die nach dem inszenierten
Reichstagsbrand vom 28. Februar 1933 verhaftet wurden und in das
erste KZ in Dachau verschleppt wurden. Das Schicksal von Benario und
Goldmann ist euch ja hinreichend bekannt.
Wir halten dieses Gedenken seit Jahren hoch, um an alle Menschen aus
Fürth zu erinnern, die sich gegen Faschismus und Krieg engagiert haben
und dies wie Rudolf Benario und Ernst Goldmann, mit ihrem Leben
bezahlt haben. Sie stehen stellvertretend für alle Opfer der
faschistischen Barbarei. Wir halten dieses Gedenken auch hoch, um an
die Verbrechen zu erinnern, die während der Nazizeit gemacht wurden.
Profiteure der faschistischen Barbarei haben in unserem Stadtbild
deshalb nichts zu suchen. Opfer und Täter unter einem Hut, das geht
nicht!
Liebe Antifaschistinnen, liebe Antifaschisten!
Ich will am Ende noch eine positive Geschichte berichten. An diesem
Platz standen bis vor einigen Jahren stattliche Birken, gepflanzt von
Benario und Goldmann. Mutmaßlich Neonazis haben sie 2017 so
beschädigt, dass sie dann gefällt werden mussten.
Wir vom Fürther Bündnis haben die Stämme eingelagert. Nunmehr
konnten sie eine Verwendung finden. Nachdem in der Spiegelfabrik klar
war, dass es sich um ein arisiertes Gebäude handelt, haben die
Bewohner des Wohnprojekts Spiegelfabrik dort eine Erinnerungstafel
angebracht und eine Sitzbank „Gegen Rassismus und Antisemitismus“
und zwar aus dem Birkenholz.
So schließt sich ein Kreis und die Nazis, die das Denkmal hier
geschändet haben, haben ihr Ziel nicht erreicht.
Das ist doch was Positives?!
Vielen Dank!